Maulbeerspinner
Ich wusste lange nicht, dass der Maulbeerspinner in der Wildnis seit Jahrtausenden überhaupt nicht vorkommt, da sie ohne menschliche Fürsorge und Fütterung nicht überleben können.
„Die Seidenraupe des Bombyx mori wird seit knapp 5000 Jahren in China auf Tabletts mit Maulbeerblättern (daher der Name ‚Maulbeerseidenspinner‘) gezüchtet. Lange vor der Entstehung des Römischen Reiches, als in Europa die Volksstämme noch in primitiven Hütten hausten, wurde die Seidenraupe bereits vollständig domestiziert.“
Ein Maulbeerfalter stirbt nach vier bis fünf Tagen und selbst wenn das eine kurze Zeitspanne ist, werden Menschen doch achtsamer, was das Recht auf Leben dieses bezaubernden Tierchens betrifft. Meine Kokons sind aus Zuchten, wo der Falter das Recht zu schlüpfen hat, daher erhalte ich die Kokons mit einer Öffnung. Nachdem ich die Kokons ohnehin fast immer aufschneide, spielt das keine Rolle. Manche Falter schlüpfen nicht aus, das ist auch in der Natur so. Diese Kokons sind rar und ich freue mich immer, wenn welche dabei sind.
Wichtig ist für mich, dass die Kokons nicht ausgekocht wurden, daher ist der Proteinkleber bzw. Seidenleim, der den Kokon so unvergleichlich stabil macht, noch erhalten. Durch das Bemalen in vielen Schichten (der Kokon wird dabei sehr glitschig und das Trocknen dauert Stunden), wird das „Haus“ nochmal stabiler.
Tussah Falter
Japanische Eichenseidenspinner (Antheraea yamamai) leben hauptsächlich in Indien. Traditionell wird dort Indien die Wildsammlung praktiziert, daher der Name „Wildseide“. In den Wäldern werden die von den Faltern verlassenen Kokons gesammelt und der Weiterverarbeitung zugeführt. Der Tussahseidenspinner kann aber auch gezüchtet werden und beeinflusst durch die Philosophie der Gewalt-losigkeit u.a. von Mahatma Gandhi wird die Seidenzucht oft im Sinne des „Ahimsa“ betrieben (sankskrit: das Nicht-Verletzen).
„Hauptsächlich kommen zwei Methoden zur Anwendung. Zum einen werden die Kokons der Seiden-raupen erst verarbeitet, wenn der Falter geschlüpft ist. Der Kokon wird von dem Falter durch körpereigene Flüssigkeiten aufgelöst. Es wird ein Loch hinein geätzt, durch das der Falter entfliegen kann. Der Kokon ist also beschädigt, und es ist nicht mehr möglich, einen Endlosfaden abzuwickeln. Die relativ kurzen Fadenstücke müssen erst versponnen werden, um eine Weiterverarbeitung (in der Weberei) zu ermöglichen. Nach dieser Methode sind auch die traditionellen Wildseidenstoffe aus Tussahseide entstanden.“
Ökologische und soziale Aspekte
„Wenn die Seidenzucht als biologische oder bio-dynamische Landwirtschaft betrieben wird und die entsprechenden Kriterien erfüllt sind, kann eine Zertifizierung nach EU 834/2007, der sogenannten Öko-Verordnung, als „kontrolliert biologische Tierhaltung“ (kbT) erfolgen. Der Futteranbau für die Raupen erfolgt ohne Herbizide und Pestizide und die Tierhaltung ohne Hormone und den Einsatz sonstiger chemischer Mittel. Die Rohseidengewinnung, das Abhaspeln und das Abkochen, muss ebenfalls kbT-konform erfolgen. Neben den unvergleichlichen Eigenschaften und der attraktiven Ausstrahlung der Naturfaser Seide bedeutet dies, dass der Träger oder Käufer sich guten Gewissens den Luxus eines exklusiven Kleidungsstücks leisten kann.“
(Zitierte Passagen: © Dr. Matias Langer 2014)